Mittwoch, 13. Februar 2008

NEUER BLOG

Ich schreibe ein linguistisches Theaterstück, welches im nächsten Jahr aufgeführt werden soll. Nähere Infos gibts auf meinem neuen Blog.

Liebe Grüße,
Euer Alex.

Freitag, 26. Oktober 2007

Zu Gottfried Benn

Gottfried Benn (1886-1956), Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, war einer der bedeutendsten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Kein anderer polarisierte und spaltete die deutsche Literaturgemeinschaft in einer Art und Weise wie Benn es tat – seine ganze literarische Wirkungszeit lang war er ein ausgezeichneter Provokant, der daran interessiert war, die Welt aus den Augen der Wirklichkeit zu betrachten.
„Intellektualismus ist die kalte Betrachtung der Erde, warm ist sie lange genug betrachtet worden, mit Idyllen und Naivitäten und ergebnislos.“ (Benn) Am Anfang seines literarischen Schaffens war Benn ein expressionistischer Lyriker. Er veröffentlichte 1912 die kleine Gedicht-Sammlung „Morgue“ und spaltete damit schon früh das literarische Lager in zwei Parteien: Seitens der Avantgarde erhielt er Beifall und Zustimmung, dagegen reagierte die bürgerliche Literaturkritik größtenteils mit Entrüstung und Ablehnung. Die provozierende Kraft Benns lag in der Themenwahl seiner Lyrik. Er stellte die gewöhnlich idyllischen Blumen- und Jugendmotive mit dem Hässlichen in Kontrast – nein, vielmehr wurde das Hässliche zum ästhetischen Programm erhoben, das mit der „Malitätsbonisierung“ einen Ausdruck fand. In seinem Gedicht „Kleine Aster“ ertrinkt die Aster in dem Leichnam eines ersoffenen Bierfahrers. Benn provoziert ganz bewusst, indem er den Menschen entpersonifiziert und die Blume personifiziert. Das Hässliche wird zum Thema. Kritiker warfen und werfen ihm immer noch vor, dass seine Lyrik makaber sei. Aber er wollte sich mit seiner Lyrik der Wirklichkeit stellen, sozusagen mithilfe der Symptome seiner Zeit eine medizinische Diagnose stellen.
Eine kurze Zeit lang sympathisierte Benn mit den Nationalsozialisten und verhöhnte die Exilanten, aber er war kein Anhänger der Nazi-Ideologie. Benn war beeindruckt von der kollektiven Kraft dieser Strömung. Sein Fehler und menschliches Versagen wurde ihm aber rechtzeitig bewusst und er distanzierte sich vom Nationalsozialismus. Später konstatierte er: „Unendliche Scham über meinen Abstieg, […] unendliche Trauer über den Verrat den ich an mir zu begehen plante, wirft mich um.“
Als Nietzsche-Adept verschrieb sich Benn ebenfalls der Artistik – in Nietzsches Auslegung eine Art Metaphysik.
„Artistik ist der Versuch der Kunst, innerhalb des allgemeinen Verfalls der Inhalte sich selbst als Inhalt zu erleben und aus diesem Erlebnis einen neuen Stil zu bilden, es ist der Versuch, gegen einen allgemeinen Nihilismus der Werte eine neue Transzendenz zu setzen: die Transzendenz der schöpferischen Lust.“ (Benn) Die Welt und ihre Wirklichkeit in Begriffe zu fassen, sie in Begriffen zu reinigen und in eine Form zu bringen als zeitlos Dauerndes – das war Benns literarisches Interesse und Geschick. Selbst-Verwirklichung bedeutete für ihn, mithilfe der schöpferischen Kraft, Worte zu gestalten und in eine Form zu bringen, den Nihilismus der Außenwelt zu überwinden.

Dienstag, 23. Oktober 2007

Impressionen



















Montag, 22. Oktober 2007

Wer wird das Rennen machen ...

um die letzten heiß begehrten Premiere-Karten (Donnerstag, 20 Uhr)? Langsam, aber sicher wirds eng.
Seit heute proben wir im Romanischen Keller unter originalen Bedingungen. In den letzten Tagen vor den Aufführungen spielt die Bühne die zentrale Rolle - wie muss das Licht eingestellt werden, wie soll die Bühne überhaupt aussehen, wo platzieren sich die Leser, etc.? Alles soll nicht nur einen Platz haben, sondern auch einen Sinn.

Samstag, 13. Oktober 2007

Reservierungen

Liebe Besucher,
nun ist es bald soweit. In zwei Wochen läuft schon unsere letzte Aufführung. Insgesamt führen wir die szenische Lesung dreimal auf (25./26./27.10) und Ihr Besuch würde uns sehr freuen.
Ihre Reservierungen richten Sie bitte an die E-Mail-Adresse projekt_benn@yahoo.de.
Vielen Dank.

Mittwoch, 29. August 2007

Unser Plakat


Donnerstag, 16. August 2007

Es ist fast angerichtet...

Mittlerweile haben wir die theoretische Erarbeitung des Leben und Werk Benns abgeschlossen, so dass wir nun in die praktische Erarbeitungsphase übergehen können. Momentan machen wir aber drei Wochen Pause, weil jeder irgend- und nirgendwo ist. Generell kann man sagen, die Zutaten haben wir alle beisammen, jetzt gehts "nur noch" um die richtige Rezeptur!

Alle, die unsere szenische Lesung hautnah erleben wollen, müssen sich ranhalten, denn es gibt pro Aufführung nur 40 bis 50 Karten. Das macht insgesamt ein Zuschauer-Volumen von maximal 150 Zuschauern.

Wir freuen uns schon jetzt auf Euren Besuch, wo wir endlich unsere Ergebnisse präsentieren können. Alles Liebe, Eure Phänotypen.

Sonntag, 29. Juli 2007

Woran wir gerade arbeiten II

In den letzten drei Wochen haben wir uns vorwiegend mit Benns Beziehung zu seinem Vater Gustav Benn auseinandergesetzt. Vorher war uns immer mal wieder aufgefallen, dass diese Beziehung Benn in seiner Wesenart stark geprägt hat. Gustav Benn, Pastor und selbst Sohn eines Pastors, gehörte der Blumhardt Gemeinde an, einer streng pietistischen evangelischen Gemeinde. Seine Lebensführung war so vor allem von einer sehr starken Frömmigkeit beherrscht.
Als die Mutter von Gustav Benn an Brustkrebs erkrankte, musste sie einen sehr harten Leidensweg gehen, da Benns Vater seinem Sohn nicht erlaubte, der Mutter Schmerz lindernde Medikamente zu verabreichen. Er sagte nur: Gott wird ihr helfen, nicht ein Arzt. Aus diesem Zentralkonflikt entstand ein Hass auf den Vater.
Anhand von Zitaten ist festzustellen, dass sich sein Vaterbild nach dem Tod des Vaters deutlich änderte. Näheres sei hier aber nicht ausgeführt. Wer mehr erfahren möchte, ist gerne zu unserer szenischen Lesung im Oktober eingeladen. Wir freuen uns auf Euch!!! Eure Phänotypen.

Donnerstag, 28. Juni 2007

Reisen

Und den Tiefen der Kommentare entsteigt dieses Gedicht aus dem Spätwerk von Gottfried Benn:

Reisen


Meinen Sie Zürich zum Beispiel
sei eine tiefere Stadt,
wo man Wunder und Weihen
immer als Inhalt hat?

Meinen Sie, aus Habana,
weiß und hibiskusrot,
bräche ein ewiges Manna
für Ihre Wüstennot?

Bahnhofstraßen und Rueen,
Boulevards, Lidos, Laan -
selbst auf den Fifth Avenueen
fällt Sie die Leere an -

Ach, vergeblich das Fahren!
Spät erst erfahren Sie sich:
bleiben und stille bewahren
das sich umgrenzende Ich.

DIE ZEIT: Gottfried Benn, Leben- niederer Wahn

Gottfried Benn: Leben − niederer Wahn

Leben − niederer Wahn!
Traum für Knaben und Knechte,
doch du von altem Geschlechte,
Rasse am Ende der Bahn,

was erwartest du hier?
immer noch Berauschung,
eine Stundenvertauschung
von Welt und dir?

Suchst du noch Frau und Mann?
ward dir nicht alles bereitet,
Glauben und wie es entgleitet
und die Zerstörung dann?

Form nur ist Glaube und Tat,
die erst von Händen berührten,
doch dann den Händen entführten
Statuen bergen die Saat.


Das am 24. Juli 1936 auf der Rückseite einer Ansichtspostkarte an den Freund F. W. Oelze geschickte Gedicht fasst Gottfried Benns Weltkonzept zusammen; wesentlich beeinflusst von Nietzsches Gedanken, dass Realität nur als ästhetisches Ereignis relevant ist. Für Benn ist Wirklichkeit eine Chimäre, Leben niederer Wahn  und der Glaube, des Menschen Tätigkeit könne den Lauf der Dinge beeinflussen, ein Traum für Knaben und Knechte. Entwicklung, gar Fortschritt der Geschichte hat Gottfried Benn in zahlreichen Gedichten wie Prosaarbeiten vehement als fundamentalen Irrtum abgewehrt. Nur der Einzelne, das Genie, hat Gültigkeit, Einsamkeit ist die probate Lebensform und allein der Künstler vermag es, dem sinnlosen Leben etwas abzuringen, das Bestand hat: Form nur ist Glaube und Tat.

Benns Elitebewusstsein ist zutiefst antidemokratisch; damit Ausdruck einer generellen Zivilisationsskepsis, die in der Weimarer Republik dem linken wie dem rechten Lager der Intellektuellen gemeinsam war: links Bertolt Brecht oder Johannes R. Becher oder Kurt Hiller  rechts Ernst Jünger oder Gottfried Benn. In der politischen Konsequenz führt das die einen zum Kommunismus, die anderen zum Faschismus; dessen vor allem italienische  Variante von Irratio, Heldentum und Auserwähltsein faszinierte Gottfried Benn so sehr, dass er 1932 bis 1934 sich den Nationalsozialisten annäherte. In der künstlerischen Konsequenz führte es die einen zum Lehrstück oder Belehrungsgedicht, jedenfalls zum Versuch, mit den Mitteln der Kunst Bewusstsein zu verändern. Eben diese Stundenvertauschung von Welt und dir leugnet Benn, der in einem anderen Gedicht kündet: Entwicklungsfremdheit / ist die Tiefe der Weisen.

Gottfried Benn, poetischer wie ideologischer Antipode seines Zeitgenossen Brecht des weltlichen Predigers, kennt nicht die Form des Rufgedichts; er will niemanden erreichen, nichts verändern. So höhnt er ein lebelang jegliche Teilhabe und erklärt jeglichen Lebensgenuss, ob der Dirne oder der Diva, des Millionärs beim Champagner oder des Müllfahrers beim Bier  zum Gaukelspiel von Schwächlingen; denn es gibt nur zwei Dinge: die Leere / und das gezeichnete Ich

- Aus: DIE ZEIT, 2000/42